Zurück

Die Zeit zu handeln ist jetzt

2015 setzte sich die internationale Staatengemeinschaft mit der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklungein ein ambitioniertes Ziel für eine zukunftsfähige Welt bis 2030. Jetzt zur Halbzeit der Agenda 2030 fällt die Bilanz sehr ernüchternd aus. Die Evangelische Kirche in Deutschland, Brot für die Welt, Diakonie Deutschland und die Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen fordern ein deutliches Signal für mehr Engagement und Verbindlichkeit.

"Die Zeit zu handeln ist jetzt!" Darin sind sich die mehr als 200 Mitwirkenden und Expert*innen aus Kirche, Entwicklungszusammenarbeit, Diakonie, Zivilgesellschaft, Politik und Wissenschaft einig, die am 19.-20.06.2023 in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin an der gleichnamigen Konferenz teilgenommen haben. In Präsentationen, Paneldiskussionen und Workshops tauschten sie sich über Transformationsblockaden, aber vor allem auch über Transformationshebel und -partnerschaften aus, um jetzt ins Handeln zu kommen.

Mit ihrem bilanzierenden Überblick lieferte Prof. Imme Scholz, Vorständin der Heinrich-Böll-Stiftung den wissenschaftlichen Einstieg für die Konferenz und brachte aktuelle Einblicke in den noch unveröffentlichten Global Sustainable Development Report 2023 mit. Sie stellte fest, dass global nur bei 12% der SDGs die Umsetzung gut laufe, bei 50% seien sie unzureichend und bei 30% stagnierend oder sogar negativ. Noch immer würde zu oft nicht nachhaltig produziert und konsumiert. Auch die Subventionen von fossilen Energien würden immer noch ansteigen, statt zurückgehen. Es brauche mehr Kapazitätsstärkung für nachhaltige Entwicklung in den Institutionen, damit verbindliche Rahmenbedingungen für die Transformation geschaffen werden können. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze stimmt im Interview zu und sieht besonders bei der Weltbank und anderen Entwicklungsbanken eine zentrale Rolle. Diese müssen ihre Geschäftsmodelle ändern und in ihren Förderinstrumenten endlich Gemeinwohl und Klimaschutz integrieren. Dem stimmte auch Dr. Boniface Mabanza Bambu von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika zu. Er kritisierte allerdings, dass Nachhaltigkeit vielerorts heute zum grünen Anstrich für alte Konzepte werde, die globale Ungleichheit nicht abbauen, sondern verstärken. Länder des Globalen Südens seien weiterhin zu wenig beteiligt an globalen Prozessen. 

"Krisenbewältigung und Umsetzung der SDGs werden aktuell in der Politik oft sowohl national als auch international als gegensätzliche Alternativen angesehen, dabei gehören sie unbedingt zusammen" so Pfarrerin Dr. Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe. Mehr Nachhaltigkeit hier in Deutschland bedeuteten bessere Perspektiven für unsere Partnerinnen und Partner weltweit. Das unterstreicht auch Dr. Stefan Bauernfeind, der im Bundeskanzleramt das Referat für Nachhaltige Entwicklung leitet und verwies auf die Überarbeitung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2024 und die dort vorgesehene stärkere Abstimmung zwischen den Ministerien.

Während der erste Tag der Bilanzierung des aktuellen Standes der Agenda 2030 diente, drehte sich der zweite Tag um Lösungen und Strategien transformativen Handelns. Das Scharnier zwischen den beiden Tagen bildete ein theologischer Impuls von Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt, Beauftragte für Schöpfungsverantwortung der EKD. Ihre Reflektion am Abend beschäftigte sich mit der Frage "Was gibt uns Resilienz und Hoffnung trotz der Erfahrung des Scheiterns?" Der Glaube an Gott den Schöpfer könne in der aktuellen ökologischen Krise sowohl Ängste als auch menschliche Selbstüberschätzung überwinden, denn er stelle den vorherrschenden Anthropozentrismus in Frage. Das Staunen und die Dankbarkeit für die Mitschöpfung sei eine Quelle der Resilienz. Auch ihr geistlicher Impuls am Morgen weckte dann erneut den Mut zur Veränderung und passte gut zur Video-Message von Achim Steiner, der als Direktor des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen sagte "Die bessere Welt liegt noch vor uns!"

In seinem Vortrag über die "Kunst der Transformation" stellte der Ökonom und Club of Rome-Mitglied Prof. Brunnhuber fest, dass aktuell die Angst vor Veränderungen größer sei als die Angst vor den Folgen der ökologischen Krise. Hier müsse man ansetzen und die nötigen Transformationen als etwas vermitteln, was eine bessere Zukunft ermöglichen kann. Menschen könnten – anders als andere Lebewesen- sich gegenseitig Geschichten erzählen und sich so gemeinsam in eine andere Richtung bewegen. Es brauche Menschen, die mutig bei den nötigen Transformationen vorangehen, "…die Rebellen, die auch mal 'out of the box' denken". Die Diakonie, die durch ihren Präsidenten beim Kongress vertreten war, setzt sich ebenfalls für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in Deutschland ein. "Wir wollen die Gestaltungsmöglichkeiten der sozial-ökologischen Transformation für unsere Träger und Einrichtungen erweitern. Dazu müssen sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern und Nachhaltigkeit muss in unserer Finanzierung endlich eine Rolle spielen", so Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. "Auch dürfe der Transformationsprozess nicht zu Lasten von Menschen mit geringem Einkommen gehen, die ohnehin nur einen kleinen ökologischen Fußabdruck haben."

Dr. Elga Bartsch, Abteilungsleiterin im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, betonte, dass wir von der Einstellung wegkommen müssten, dass Maßnahmen zur sozialökologischen Transformation zu viel zusätzliches Geld kosten. In Wahrheit würden sie mehr Kosten verhindern. Sie sprach sich bei der Finanzierung für eine stärkere Rolle der Zentralbanken und für höhere CO 2-Bepreisung bei gleichzeitigen sozial Ausgleichsmechanismen aus.

Dr. Stefan Zahn von churches for future in Leipzig unterstrich die besondere Rolle der Kirchen, die bei den nötigen sozialökologischen Transformationen sich noch deutlicher als bisher zu Wort melden sollten.

Die Vereinten Nationen haben die 2020er Jahre zu einer "Dekade des Handelns" für die Verwirklichung der Sustainable Development Goals (SDGs) erklärt. Der Kongress hat wichtige Anstöße gegeben aus und in den kirchlichen Raum hinein, diese "Dekade des Handelns" mit Leben zu füllen.

Veranstalter*innen des Kongresses waren die Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen, Brot für die Welt, Diakonie Deutschland und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Plenarteile des Programms wurden aufgezeichnet und können zu einem späteren Zeitpunkt auf den Homepages der Veranstalter aufgerufen werden.

Das Programm zum Nachlesen findet sich hier:
https://vrk-akademie.de/wp-content/uploads/2023/05/2023-05-Die-Zeit-zu-handeln-ist-jetzt-Programm.pdf

Diese Pressemitteilung wird zeitgleich von den Pressestellen der Evangelischen Kirche in Deutschland, Brot für die Welt, Diakonie Deutschland und der Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen verschickt. Mehrfachversendungen bitten wir zu entschuldigen.

Kommentare