Lebensbegleitung an den Grenzen: Diakonische Initiativen zur Suizidprävention und Suizidassistenz

Die Diakonie Deutschland hat sich bereits mehrfach mit den Themenbereichen Suizid-Prävention und Suizid-Assistenz beschäftigt und entsprechend positioniert. Als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020, das den § 217 StGB zur "Geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" für verfassungswidrig und nichtig erklärt hat, hat die Diakonie zwei wegweisende Projekte ins Leben gerufen:

Projekt I  fand in den Jahren 2020-2022 statt und hatte zum Ziel, den innerverbandlichen Meinungsbildungsprozess zur Thematik innerhalb der Diakonie anzustoßen.

Projekt II (2024 – 2025): Suizidprävention - Suizidassistenz: Praxisreflektionen in der Begleitung von Menschen an den Grenzen des Lebens

Projekt II „Suizidprävention - Suizidassistenz: Praxisreflektionen in der Begleitung von Menschen an den Grenzen des Lebens“ ist unser aktuelles Vorhaben, das an den intensiven Dialog zum Thema anknüpft und den innerverbandlichen Dialog (wieder)beleben soll. Seit dem Abschluss des ersten Projekts sind zwei Jahre vergangen. Die in 2023 vorgelegten Gesetzesentwürfe zur Regelung der Suizidassistenz fanden bei den Abgeordneten keine Mehrheit; gleichzeitig wurde die Notwendigkeit einer verstärkten Suizidprävention mit überwältigender Mehrheit beschlossen. Durch die bestehende Gesetzeslage häufen sich die Anfragen nach Suizidassistenz für Mitarbeitende und Ehrenamtliche von diakonischen Diensten und Einrichtungen. Dies stellt diakonische Dienste und Einrichtungen vor die Herausforderung einer Suizidprävention, die über die bisherige Praxis hinausgeht, und erfordert eine Klärung ihres Umgangs mit Klientinnen und Klienten, die Sterbewünsche äußern und/oder ihr Recht auf Suizidassistenz geltend machen wollen. In diesem Zusammenhang wurden wertvolle Erfahrungen mit der Anwendung der Orientierungshilfe gemacht. Im aktuellen Projekt sollen diese Erfahrungen im Kontext von Fallschilderungen und Problemanzeigen aus der Praxis diskutiert und bewertet werden sowie Orientierungen zum Umgang mit den Ausnahmesituationen, in denen Menschen auf die Inanspruchnahme von Suizidassistenz bestehen, erarbeitet werden. Die Veranstaltungen des zweiten Projekts – die sogenannten Lunchtalks - zeichnen sich durch eine praxisnahe Ausrichtung aus. Statt einer theoretischen Betrachtung (wie dies bei den Kamingesprächen der Fall war) liegt der Fokus auf dem Erfahrungsaustausch und der praktischen Anwendung. Die Lunchtalks bieten eine einzigartige Gelegenheit, sich respektvoll und einfühlsam über dieses äußerst sensible Thema auszutauschen und gemeinsam Ideen für eine suizidpräventive Kultur zu entwickeln.

Lunchtalkreihe "Praktische Erfahrungen im Umgang mit Suizidprävention und Suizidassistenz"

Die Lunchtalkreihe "Praktische Erfahrungen im Umgang mit Suizidprävention und Suizidassistenz" der Diakonie Deutschland bietet eine einzigartige Plattform für den intensiven Austausch und die eingehende Reflexion über ethische Fragen im Zusammenhang mit Suizidprävention und Suizidassistenz. In diesen Lunchtalks steht der praktische Umgang mit den komplexen Herausforderungen im Vordergrund. Sie ermöglichen den Teilnehmern, wertvolle Erfahrungen auszutauschen, neue Perspektiven zu gewinnen und gemeinsam Ideen für eine Kultur der Suizidprävention zu entwickeln.

Jeder Lunchtalk beginnt mit einer einführenden Begrüßung und der Vorstellung eines konkreten Fallbeispiels. Anschließend haben die Teilnehmer die Möglichkeit, in Gruppenarbeit in Breakout-Räumen die ethischen Aspekte des Fallbeispiels zu diskutieren. Die Hauptergebnisse jeder Gruppenarbeit werden im Anschluss präsentiert und gemeinsam reflektiert. Zum Abschluss wird ein Impuls gegeben, der sich auf das ethische Dilemma des vorgestellten Falls konzentriert.

1. Lunchtalk (27.02.2024, Thema: Körperliche Erkrankung) 

Der erste Lunchtalk der Themenreihe "Praktische Erfahrungen im Umgang mit Suizidprävention und Suizidassistenz" fand am 27. Februar 2024 von 11:45 bis 12:30 Uhr statt. In diesem Gespräch lag der Schwerpunkt auf den ethischen Dilemmata einer autonomen Entscheidung schwerkranker Menschen am Lebensende. Wir waren hocherfreut, dass wir Martin Schwarz (Pfarrer, Diakonie Württemberg) als Referenten für den Impuls gewinnen konnten. Nach unserem Austausch reflektierte er die ethischen Aspekte der Diskussion.

2. Lunchtalk (20.03.2024, Thema: Finanzielle Sorgen)

Der zweite Lunchtalk der Reihe "So möchte ich nicht mehr leben! Praktische Erfahrungen im Umgang mit Suizidprävention und Suizidassistenz" war für den 20. März 2024 von 11:45 bis 12:30 Uhr angesetzt. Diesmal lag der Fokus auf den ethischen Dilemmata, die sich aus den finanziellen Sorgen einer Bewohnerin im Pflegeheim ergeben. Wir haben uns außerordentlich gefreut, dass Dr. Daniel Burchardt (Diakonie Deutschland, Zentrum Recht und Wirtschaft) als Referent für den Impuls gewonnen werden konnte. Nach unserem Austausch hat er die ethisch-rechtlichen Aspekte der Diskussion vertiefend betrachtet.

3. Lunchtalk (23.04.2024, Thema: Menschenwürde)

Der dritte Lunchtalk der Themenreihe "So möchte ich nicht mehr leben! Praktische Erfahrungen im Umgang mit Suizidprävention und Suizidassistenz" hat am 23. April 2024 von 11:45 bis 12:30 Uhr stattgefunden. In diesem Gespräch lag der thematische Schwerpunkt auf der Wahrung der Menschenwürde. Wir waren ausgesprochen erfreut, dass wir Prof. Dr. Christian Oelschlägel (Universität Bielefeld, Diakoniewissenschaft mit dem Schwerpunkt Systematische Theologie/Ethik) als Impulsgeber engagieren konnten. Nach unserem Austausch hat er die ethischen Aspekte der Diskussion näher beleuchtet.

4. Lunchtalk (29.05.2024, Thema: Kommunikation)

Der vierte Lunchtalk unserer Reihe "So möchte ich nicht mehr leben! Praktische Erfahrungen im Umgang mit Suizidprävention und Suizidassistenz" hat am 29. Mai 2024 von 11:45 bis 12:30 Uhr stattgefunden. Unter dem Titel "Bei uns wird nicht gestorben!" betonten wir die entscheidende Rolle der Kommunikation bezüglich Todeswünschen, Sterbewünschen und Suizidassistenz. Wir haben anhand eines Fallbeispiels die Grundlagen einer guten Kommunikation in diesem Kontext beleuchtet. Besonders freuen wir uns, dass wir Helena Armbrecht, Referentin für stationäre Altenhilfe bei der Diakonie Bayern, für den Impulsvortrag gewinnen konnten. 

•    Einladung
•    Fiktives Praxisbeispiel
•    Ethische Dilemmata
•    Biogramm
•    Impulsvortrag
•    Aufzeichnung des Impulsvortrages

5. Lunchtalk (11.06.2024, Thema: Es gibt im Leben keine Lösung ohne Rest)

Herzliche Einladung zum fünften Lunchtalk unserer Reihe "So möchte ich nicht mehr leben! Praktische Erfahrungen im Umgang mit Suizidprävention und Suizidassistenz" am 11. Juni 2024 von 11:45 bis 12:30 Uhr. Dieser Lunchtalk wird sich mit dem Thema „Es gibt im Leben keine Lösung ohne Rest“ beschäftigen. Wir werden ein fiktives Fallbeispiel nutzen, um die Thematik an einer konkreten Situation diskutieren zu können.

Dabei freuen wir uns besonders, Dr. Peter Bartmann, Leiter des Zentrums Gesundheit, Rehabilitation und Pflege bei der Diakonie Deutschland, für den Impulsvortrag gewonnen zu haben. Im Anschluss an die bei den Lunchtalks übliche Gruppenarbeit in den Breakout-Räumen, wird Herr Dr. Bartmann die ethischen Aspekte der Diskussion reflektieren. Wir laden Sie herzlich ein, an diesem wichtigen und anregenden Lunchtalk teilzunehmen, und freuen uns auf eine informative und konstruktive Diskussion.

Sie können sich mit dem nachfolgenden Link für die Veranstaltung registrieren, auch kurzfristig bis Veranstaltungsbeginn. Die Teilnahme ist kostenlos und die Einwahldaten werden Ihnen direkt im Anschluss an die Registrierung automatisch zugesendet.

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Termine der noch geplanten Lunchtalks:

6. Lunchtalk (23.07.2024, Thema: Bedarfe der Einrichtungen)

7. Lunchtalk (20.08.2024, Thema: Psychiatrische Erkrankung)

 

Umfrage: Praxiserfahrungen an den Grenzen des Lebens

Im Rahmen des Projekts fand kürzlich die Umfrage „Praxiserfahrungen an den Grenzen des Lebens“ statt. Dank der großen Teilnehmerzahl haben wir nun die Möglichkeit, die Erfahrungen und Perspektiven im Umgang mit Todeswünschen, Suiziden, Suizidversuchen und assistiertem Suizid in diakonischen Diensten und Einrichtungen besser zu verstehen.

Die Umfrage zielte darauf ab, Optionen und Gestaltungsmöglichkeiten im Umgang mit Suizidalität zu erfassen sowie neue Wege der Unterstützung und Instrumente zum Umgang mit Suizidwünschen zu erkennen und zu entwickeln.

Wir befinden uns derzeit in der Auswertungsphase der Umfrage. Vielen Dank an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer für Ihre wertvollen Beiträge!

 

Veröffentlichungen und Links

Pressemitteilung der Diakonie Deutschland zur Nationalen Suizidpräventionsstrategie vom 02.05.2024.

Ansprechpartner:innen

Dr. Jutta Ataie; Referentin; Hospiz und Palliative Care

E- Mail: Dr.Jutta.Ataie@diakonie.de, Telefon: 030/65211 - 1761

Benedikt Lerch; Referent; Theologie und Ethik

E- Mail: benedikt.lerch@diakonie.de,  Telefon: 030/65211 - 1031

Marion Paustian; Sachbearbeiterin; Alter, Pflege und Hospiz

E- Mail: marion.paustian@diakonie.de, Telefon: 030/65211 - 1919

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