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Digitale Unterstützung für die qualifizierte Vorbereitung Ehrenamtlicher in der Sterbebegleitung: die digitale Werkzeugkiste des Celler Modells

Einführung
Die „Digitalisierung“ ist im Begriff unsere Lebenswirklichkeiten grundlegend zu verändern und hat auch in den Handlungsfeldern der Diakonie ihren Einzug gehalten. Der Hospizbereich stellt dabei keine Ausnahme dar, denn in Zeiten der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass digitale Werkzeuge auch hier eine Rolle spielen können - unter anderem in der Vorbereitung Ehrenamtlicher für die Sterbebegleitung. Im Rahmen der Digitalisierungsoffensive der Diakonie soll diese Rolle nun sorgfältig definiert und ausgestaltet werden, geht es doch um einen besonders sensiblen Bereich menschlichen Daseins - die Grenze des Lebens.
 

Was ist die “digitale Werkzeugkiste des Celler Modells”?
Das “Celler Modell*” dient nun schon seit über 30 Jahren dazu, Menschen für die ehrenamtliche Sterbebegleitung vorzubereiten. Es basiert auf der Annahme, dass eine tiefe Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung gegenüber den Grenzen des Lebens zusammen mit fachlicher Kompetenz die notwendigen Voraussetzungen bilden, um Menschen am Ende ihres Lebens gut begleiten zu können. Das Celler Modell zeichnet sich - neben der christlichen Grundhaltung - vor allem durch eine Vielfalt an Lehrmethoden und Lernwegen aus. Diese didaktische Vielfalt um digitale Elemente zu erweitern, war eines der Anliegen bei der Konzeption der “digitale Werkzeugkiste des Celler Modells” innerhalb der Lernplattform Moodle. Mit anderen Worten, digitales Lernen soll die Arbeit in der Gruppe vor Ort keineswegs ersetzen, sondern die vor Ort gemachten Lern-, Selbst- und Gruppenerfahrungen ergänzen bzw. vertiefen.

Der Inhalt der digitalen Werkzeugkiste beschränkt sich derzeit auf den Grundkurs des Celler Modells und folgt der im Buch vorgegebenen Struktur. Jede Lerneinheit beginnt mit einer Einführung in die Thematik, dem Bezug zur Emmaus-Geschichte und den Lernzielen. Anschließend werden das für die Einheit relevante Wissen vermittelt sowie Übungen angeboten, die das Lernen durch Selbst- und Gruppenerfahrung zum Ziel haben. Den Abschluss jeder Einheit bildet ein zur Thematik passendes Lied.

Die Werkzeugkiste bietet eine reiche Auswahl an digitalen Methoden, von denen die Trainer:innen und/oder die angehenden Ehrenamtlichen diejenigen aussuchen können, die zu ihren individuellen Lehr- oder Lernstilen am besten passen (Informationstexte, Quizze, Audio- und Videoangebote, geführte Meditationen zur Selbstreflexion, Austauschforen usw.). Die einzelnen Elemente der Lerneinheiten können, unabhängig voneinander, zur Vor- und/oder Nachbereitung der Lernerfahrungen in der Gruppe vor Ort genutzt werden.

Im Gegensatz zu den, während der Corona-Pandemie im Hospizbereich üblich gewordenen Videoformaten (wie beispielsweise Zoom, Webex oder Teams), nutzt die digitale Werkzeugkiste eine Lernplattform (Moodle). Eine Lernplattform ist ein Web-basiertes Managementsystem, das der Bereitstellung von Lerninhalten und der Organisation von Lernvorgängen dient. Aufgabe dieser online Lernumgebung ist es, Lerninhalte sowie Möglichkeiten für einen Austausch zwischen Lernenden und Lehrenden unabhängig von Ort und Zeit bereitzustellen. Mit anderen Worten: Die angehenden Ehrenamtlichen können sich sowohl den Lerninhalten als auch der Kommunikation widmen, wo und wenn ihre Lebenswirklichkeiten es zulassen - räumlich und zeitlich unabhängig von der oder dem Trainer:in und den anderen Kursteilnehmer:innen.
 

Wie und warum ist die digitale Werkzeugkiste entstanden?
Die digitale Werkzeugkiste ist das Ergebnis eines fortlaufenden Gruppenarbeitsprozesses, im Frühjahr 2021 begonnen hat. Die Arbeitsgruppe besteht aus in der Vorbereitung Ehrenamtlicher tätigen Praxisexpert:innen aus verschiedenen Landesverbänden sowie Mitarbeiter:innen der Bundesakademie für Kirche und Diakonie und der Diakonie Deutschland.Die Beweggründe für die Gründung dieser Arbeitsgruppe waren, neben den Herausforderungen der Corona-Pandemie und dem allgemeinen Voranschreiten der Digitalisierung auch der Generationswechsel im Hospizbereich sowie der allgemeine Strukturwandel im Ehrenamt.
 

Chancen und Herausforderungen der digitalen Werkzeugkiste
Die digitalen Elemente der Werkzeugkiste können zur Vorbereitung und/oder Vertiefung von Kursinhalten genutzt werden. Dadurch bleibt in der Gruppenarbeit vor Ort mehr Zeit für Reflexionen, Selbsterfahrungen und Rollenspiele zur Entwicklung der hospizlichen Haltung. Die zeitliche Begrenzung der Gruppenarbeit vor Ort macht es Trainer:innen oft schwer, auf alle für die Sterbebegleitung relevanten Aspekte einzugehen oder einzelne Themen mit der ihnen angemessenen Tiefe zu besprechen. Mit Hilfe der digitalen Werkzeugkiste gelingt es, durch das zusätzliche Lernen-zu-Hause die Themenvielfalt zu vergrößern oder um alternative Perspektiven auf zentrale Themen zu erweitern.

Für angehende Ehrenamtliche ist der offensichtlichste Vorteil der Werkzeugkiste die räumliche und zeitliche Unabhängigkeit des digitalen Lernens. Mehr und mehr angehende Ehrenamtliche benötigen in ihren Lebenswirklichkeiten größere Flexibilität mit ihren zeitlichen Ressourcen. Sie sehen unter anderem deshalb in digitalen Formaten einen guten Weg des Lernens und des Austauschs und haben mit in der Werkzeugkiste eingebetteten Interaktionen die Möglichkeit, ihr Wissen zu überprüfen und ihren Lernerfolg festzustellen. Darüber hinaus eröffnet das digitale Lernen ihnen die Möglichkeit eines wohldosierten mit-sich-Alleinseins, eines einfach-bei-sich-seins und bietet ihnen so Gelegenheiten für Kreativität, Kontemplation, Spiritualität und Selbstreflexion. Außerdem können Inhalte nachgeholt werden, die aufgrund von Fehlzeiten in der Gruppe vor Ort verpasst worden sind.

Während der Praxisphase (oder auch zwischen den einzelnen Gruppensitzungen) bietet die digitale Werkzeugkiste Trainer:innen und angehenden Ehrenamtlichen die Möglichkeit, im Austausch zu bleiben. Dieser Austausch kann von den Trainer:innen initiiert und angeleitet oder von den angehenden Ehrenamtlich selbständig gestaltet werden. Das in der Praxis Erfahrene kann so im digitalen Austausch verarbeitet werden. Darüber hinaus richtete sich die digitale Werkzeugkiste auch an bereits in der Hospizarbeit tätige Ehrenamtliche, die früher Gelerntes auffrischen wollen.

Die größte Herausforderung der digitalen Werkzeugkiste besteht in den allgemein üblichen Vorbehalten gegenüber der „Digitalisierung“. Dies ist besonders relevant, weil es sich bei der Vorbereitung von Ehrenamtlichen in der Sterbebegleitung um einen Bereich handelt, bei dem die Vorstellung einer “Digitalisierung” zunächst Abwehrreaktionen hervorruft. Mit unseren dreiteiligen Einführungsveranstaltungen versuchen wir dieser Technikskepsis konstruktiv und ermutigend zu begegnen. Schließlich geht es nicht darum, die Gruppenarbeit vor Ort zu ersetzen, sondern darum, diese zu bereichern.
 

Wo stehen wir? Wie geht es weiter?
Die digitale Werkzeugkiste des Celler Modells befindet sich seit Beginn des Jahres in der Pilotphase. Zur Teilnahme an dieser Erprobungsphase wurden bundesweit Hospizdienste in diakonischer Trägerschaft eingeladen. Bislang haben 20 Trainer:innen sich bereit erklärt, bei der Erprobungsphase mitzumachen und Elemente der digitalen Werkzeugkiste in ihre, in diesem Jahr stattfindenden, Vorbereitungskurse zu integrieren. Einige dieser Kurse haben bereits begonnen; weitere sind für den Sommer bzw. Herbst geplant.

Ziel der Erprobungsphase ist es einerseits, Erkenntnisse über den praktischen Nutzen der einzelnen digitalen Werkzeuge und deren Beliebtheit bei den Anwender:innen (Trainer:innen und angehenden Ehrenamtlichen) zu gewinnen. Die Rückmeldungen der Anwender:innen werden im Anschluss an die Pilotphase zur Optimierung des bestehenden Grundkurses sowie zur Entwicklung des digitalen Materials für den Vertiefungskurs beitragen.

Die derzeitigen digitalen Werkzeuge eignen sich für die Vorbereitung auf eine ehrenamtliche Tätigkeit im Erwachsenen- und im Kinder-/Jugendbereich. Was jedoch fehlt sind Angebote, die sehr gezielt angehende Ehrenamtliche in der Kinder-/Jugendhospizarbeit unterstützen.  Hierauf soll bei der Weiterentwicklung ein besonderes Augenmerk gelegt werden.

Zweites Ziel der Pilotphase ist es, Informationen darüber zu erlangen, wie die digitale Lernplattform Moodle zukünftig Trägern, Einrichtungen und Diensten zur Verfügung gestellt werden soll.

Falls Sie als Trainer:in von Ehrenamtlichen in der Hospizarbeit tätig sind und ebenfalls Interesse haben an der Pilotphase teilzunehmen, unsere Einladung Sie aber bislang nicht erreicht hat, melden Sie sich gerne unter: celler-modell-elearning@diakonie.de

 

Ansprechpartnerinnen:

Diakonie Deutschland
Dr. Jutta Ataie
Referentin für Hospiz und Palliativ Care
jutta.ataie@diakonie.de
 

Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Dr. Gabriele Beckert
Studienleiterin
gabriele.beckert@ba-kd.de

Materialhinweis: Sterbende begleiten lernen: Das Celler Modell zur Qualifizierung Ehrenamtlicher für die Hospizarbeit (Amazon)