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Diakonisches Werk Freiburg e.V.

Das Diakonische Werk Freiburg beschloss 2016, an der Gestaltung einer Wohnumgebung ohne Gewalt, Bedrohung und Belästigung in drei Gemeinschaftsunterkünften für geflüchtete Menschen mitzuwirken und entwickelte ein diakonisches Gewaltschutzkonzept. Seitdem setzt der Träger Angebote zur Förderung des friedlichen Zusammenlebens und des Empowerments um und konnte die Stadt Freiburg zwei Jahre nach Projektstart bei der Entwicklung eines kommunalen Gewaltschutzkonzepts für Geflüchtetenunterkünfte mit seinen gesammelten Erfahrungen unterstützen.

„Empowerment bedeutet, die Frauen (und Männer) in ihren Kompetenzen, Rechten, ihrer Selbstbestimmung und Lebensgestaltung zu stärken - individuell sowie als Teil der (Zivil-)Gesellschaft.“

 

 


 Der Frauentreff:

Wir treffen uns einmal wöchentlich gegen 14:30 Uhr in einem der Frauenräume in der Unterkunft. Dort bereiten wir dann Essen und Trinken vor. Nach und nach kommen die Frauen und bringen ihre Kleinkinder mit. Meist sind es zwischen 6 und 12 Frauen, außerdem zwei Projektmitarbeiterinnen, von denen eine als Sprachmittlerin für Arabisch und Kurdisch arbeitet. Es wird in unterschiedlichen Sprachen geplaudert und gelacht, man spricht über Themen, die einen gerade beschäftigen.

Manchmal ist der Frauentreff einfach ein Begegnungsraum, häufig wird auch ein Programm angeboten. Ausflüge werden verabredet, Handarbeitstechniken erlernt, Feiern organisiert, gemeinsam Deutsch geübt oder verschiedene Themen besprochen. Kolleginnen der Fachberatungsstellen besuchen den Frauentreff und leiten Gespräche zu Themen wie Verhütung, Frauengesundheit, Sexualität, (häusliche) Gewalt, Erziehung oder Wege in den Beruf an. Kreativangebote sind immer eine gute Gelegenheit, um nebenbei ins Gespräch zu kommen und sich kennenzulernen.

In Anschluss an das Treffen findet noch gemeinsames Yoga statt. Es herrscht meist eine schöne, offene Atmosphäre, manchmal gelassen, manchmal aber auch sehr emotional und bewegend.

Gleich zu Beginn 2016 wurden Frauenräume in den Unterkünften eingerichtet. Darin finden wöchentliche Frauentreffen statt, von und mit den Bewohnerinnen gestaltet (s. Kasten). Daneben gibt es verschiedene Kurse und Bewegungsangebote. So können Grundkenntnisse in der Nutzung von Computern oder das Fahrradfahren erlernt werden, wodurch sich Handlungsmöglichkeiten erweitern. Beim gemeinsamen Tanzen, Yoga oder Trommeln werden das Miteinander gestärkt und Alltagsstress abgebaut.

Eine Besonderheit des Projekts ist, dass seit 2018 gezielt Männer eingebunden werden. Die Erfahrungen der ersten zwei Jahre zeigten, dass die aktive Beteiligung der männlichen Bewohner auch für die Förderung von Autonomie und Selbstbestimmung der Frauen und adäquaten Gewaltschutz zentral sind.

Viele Bewohner*innen, vor allem aber junge Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren, erleben den Alltag im Wohnheim als frustrierend und perspektivlos. Sie stehen unter Druck, ihre Familien zu versorgen, was in ihrer Lebenssituation oft nicht möglich ist. Angebote zur Reduzierung von Stress, zur Entwicklung von Zukunftsperspektiven, zur Gewaltprävention und zur Förderung selbstbestimmter gesellschaftlicher Teilhabe sind hier sehr wichtig.

In den Unterkünften wurden Männertreffs eingerichtet und spezifische Angebote eingeführt. Dazu gehören niedrigschwellige Aktivitäten, wie ein Grillnachmittag für Väter und ihre Kinder oder Garten- und Imkereiprojekte. Außerdem werden regelmäßig Kooperationspartner*innen zu Austauschtreffen eingeladen, bei denen Themen wie gesellschaftliche Teilhabe, Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt, Geschlechtergerechtigkeit oder Gewaltfreiheit im Fokus stehen. Auf Wunsch werden Männer individuell zur Klärung möglicher Wege in den Beruf, Sprachförderung oder Umgang mit wichtigen Dokumenten unterstützt.

 

Es gibt viele Erfahrungen im Rahmen des Projektes, die die Frauen zum ersten Mal in ihrem Leben machen. Zum Beispiel auf einem Fahrrad zu sitzen und mit ihm zu fahren, ein Thermal- oder Schwimmbad zu besuchen, Bowlen zu gehen oder mit einer Gondel auf einen Berg fahren. Diese Erlebnisse bleiben den Frauen und uns sehr stark – und berührend – in Erinnerung.

Zentral für die erfolgreiche Projektarbeit sind die qualifizierten und speziell geschulten Mitarbeiter*innen, die im Fall von Gewaltvorfällen oder Konflikten mit den Betroffenen Einzelgespräche führen. So setzen Sprachmittler*innen mit eigener Fluchtgeschichte ihre Kompetenzen ein, um im Tandem mit anderen Projektmitarbeiter*innen Verständigung zu ermöglichen und Konflikte zu lösen. Eine Psychologin stützt das Team bei Krisengesprächen, Konflikten und durch kollegiale Beratung.

Aufgrund von Einschränkungen durch die Corona-Pandemie mussten viele Projektangebote verändert werden. Oftmals durften keine Angebote in den Wohnheimen stattfinden, gleichzeitig verschärften sich Herausforderungen für die Bewohner*innen, wie Isolation, fehlende Privatsphäre, Ängste, (psychische) Belastung und erschwerte Zugänge zu Bildung, Arbeit und Hilfesystem. Aus der Dringlichkeit, neue Zugangswege zu finden, wurden die Projektangebote an die neuen Rahmenbedingungen angepasst, beispielsweise durch Umstellung auf Online-Angebote. Gleichzeitig konnte so die Nutzung virtueller Kommunikationswege eingeübt werden, so dass auch die Hemmschwelle für die virtuelle Kontaktaufnahme mit Behörden oder Schulen abgebaut wurde. 

Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, Frauen und Männer in den Unterkünften in ihren Rechten, ihrer Selbstbestimmung und ihren Handlungskompetenzen zu stärken sowie ein friedliches Zusammenleben zu fördern. Die Bewohner*innen sollen sich als aktive, kompetente, wertvolle Mitglieder der Gesellschaft erleben.

 

Gerade die Pandemie-bedingten Kontakteinschränkungen führten außerdem zu einem überraschenden großen und wichtigen Erfolg im Rahmen der Projektdurchführung – für Frauen und Männer – in 2020: Die Intensivierung von Einzel- und Kleingruppenkontakten ermöglichte zwar weniger, jedoch umso tieferen Austausch und Auseinandersetzung mit einzelnen Personen zu wichtigen Themen, wie Geschlechterrollen, Zukunftsperspektiven oder (gewaltfreie) Kindererziehung. So tragen einzelne Bewohner*innen diese Themen weiter in die Unterkünfte und werden Multiplikator*innen und Vorbilder.

 

 

Weitere Informationen:

Projektvorstellung in der Broschüre „Geflüchtete Frauen stärken durch Empowermentarbeit“ (PDF)

 

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