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Schuldnerberatung - Ergebnisse der Umfrage

Erhöhte Nachfrage nach Schuldnerberatung wegen der Pandemie: Zwei Drittel der gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen verzeichnen Anstieg der Anfragen nach Beratung

Immer mehr Menschen geraten durch die Folgen der Pandemie in finanzielle Not. Im ersten Halbjahr 2021 verzeichneten die gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen in Deutschland im Vergleich zum Aufkommen vor der Pandemie einen deutlichen Anstieg der Anfragen nach Beratung. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV).

Bei über zwei Dritteln der befragten Beratungsstellen erhöhte sich die Anzahl der Anfragen im Vergleich zum Zeitraum vor der Pandemie. Bei fast der Hälfte betrug der Anstieg zwischen zehn und 30 Prozent; knapp ein Fünftel der Beratungsstellen beobachtete sogar eine Zunahme des Beratungsbedarfs um mehr als 30 Prozent. Insgesamt beteiligten sich 461 Beratungsstellen an der Umfrage, davon knapp 300 von Caritas und Diakonie.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
"Die steigende Nachfrage nach sozialer Schuldnerberatung ist alarmierend. Zu Beginn der Pandemie konnten sich viele Menschen noch durch Rücklagen oder privat geliehenes Geld finanziell über Wasser halten. Inzwischen können viele ihre Überschuldungssituation jedoch nicht mehr kompensieren."

In über einem Viertel (28 Prozent) der Beratungsstellen war die erhöhte Nachfrage nach Beratung auf Miet- und Energieschulden zurückzuführen. Viel mehr Menschen als früher erkundigen sich nach einem Pfändungsschutzkonto und brauchen Hilfe beim Ausfüllen der notwendigen Bescheinigung.

"Wir wissen, dass die Energiepreise in den Monaten nach der Befragung noch einmal richtig gestiegen sind und wir wissen, dass sich diese Entwicklung bei einer wirksamen Klimapolitik fortsetzen wird", so Eva Welskop-Deffaa, frisch gewählte Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes. "Wir fordern von der Ampelkoalition nicht nur eine auskömmliche Finanzierung der Schuldnerberatung und eine Fortführung der kostenlosen Energieberatung für einkommensschwache Haushalte. Wir brauchen vor allem auch Ausgleichsmaßnahmen wie eine Klimaprämie." 

Einen erhöhten Informations- und Aufklärungsbedarf von (Solo)-Selbstständigen gab es in 44 Prozent, von Personen in Kurzarbeit in 41 Prozent, von Erwerbstätigen in 33 Prozent der Beratungsstellen.
"Ohne professionelle Unterstützung werden viele dieser Menschen den Weg aus der Überschuldung nicht bewältigen. Wir brauchen dringend mehr Kapazitäten in den sozialen Schuldnerberatungsstellen. Die Mitarbeitenden in den Beratungsstellen arbeiten über ihrem Limit, und das nicht erst durch die Pandemie", so Loheide weiter. "Die Mittel müssen zügig aufgestockt werden, und zwar um mindestens 20 Prozent."

Diakonie und Caritas fordern zudem, den Zugang zur gemeinnützigen Schuldnerberatung für weitere Zielgruppen auszuweiten, etwa für Erwerbstätige und Solo-Selbständige. Aktuell ist der Zugang gesetzlich begrenzt auf bestimmte Gruppen. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass es einen Anspruch auf eine kostenlose Schuldnerberatung erst gibt, wenn Menschen keinen Job mehr haben. Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung für alle", so Welskop-Deffaa.

Trotz Corona-Einschränkungen war und ist die Schuldnerberatung von Diakonie und Caritas für die Menschen erreichbar. 87 Prozent der befragten Schuldnerberatungsstellen nutzten im ersten Halbjahr digitale Beratungsmöglichkeiten - per Mail, Messenger- oder Video-Dienst. 

Die Umfrage zur Situation der gemeinnützigen Schuldnerberatung unter Corona-Bedingungen wird 2022 wiederholt.

Hintergrund

In Deutschland gibt es etwa 1.400 Schuldnerberatungsstellen, in Trägerschaft der Verbraucher- und Wohlfahrtsverbände oder der Kommunen bzw. als Mitglied in einem der Verbände. An der Umfrage beteiligten sich 461 Schuldnerberatungsstellen.

Im Gegensatz zu gewerblichen Anbietern ist die gemeinnützige soziale Schuldnerberatung für die überschuldeten Menschen kostenfrei. Bislang ist die gemeinnützige Schuldnerberatung bundesweit uneinheitlich finanziert und chronisch unterfinanziert. Bereits vor der Corona-Krise konnten nur zehn bis 15 Prozent der überschuldeten Menschen beraten werden.

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