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BAGFW nimmt Stellung zum BMAS-Referentenentwurf des Teilhabestärkungsgesetzes

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege haben gemeinsam Stellung genommen zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (Teilhabestärkungsgesetz). Das BMAS hat den Entwurf am 22.12.2020 versandt mit der Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 08.01.2021. Die BAGFW hatte eine Fristverlängerung bis 11.01.2021 erhalten. Aufgrund der sehr kurzen Frist äußert sich die BAGFW lediglich zu zentralen Punkten des Entwurfes.

Die BAGFW unterstützt die Zielsetzung, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu stärken. Besonders im Hinblick auf die nachfolgend genannten Regelungen werden noch Änderungsbedarfe gesehen:

  1. Es ist zu begrüßen, dass die durchschnittlich angemessene örtliche Vergleichsmiete nach § 45a SGB XII regelmäßig evaluiert und neu festgesetzt wird. Damit Menschen in besonderen Wohnformen nicht benachteiligt werden, bedarf es einer gesetzlichen Klarstellung, dass eine Absenkung des Vergleichsmaßstabes nach § 45a letzter Satz SGB XII nicht zu einer Reduzierung der bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung für Menschen in besonderen Wohnformen nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII führt.
     
  2. Die BAGFW begrüßt die Anpassungen der Begrifflichkeiten in Anlehnung an die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) für den leistungsberechtigten Personenkreis in der Eingliederungshilfe in § 99 SGB IX. Die BAGFW bekräftigt jedoch erneut ihre Auffassung, die Neuregelung nach § 99 SGB IX und eine modifizierte Verordnung als kompatibles und inhaltlich stimmiges Gesamtpaket auf den Weg zu bringen, um fachlich inhaltliche Disparitäten zu vermeiden. Die BAGFW spricht sich dafür aus, dass die inhaltliche Ausrichtung der künftigen Zugangskriterien ICF-basiert und an der UN-BRK orientiert sein muss.
     
  3. Die BAGFW begrüßt die Intention, den Gewaltschutz insbesondere für Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigungen, verbindlich zu regeln. Für eine wirksame Umsetzung in die Praxis bedarf es zusätzlicher personeller und finanzieller Ressourcen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass Frauen mit Behinderung als Selbervertreterinnen in die Entwicklung von Gewaltschutzkonzepten eingebunden sind.
     
  4. Die BAGFW begrüßt grundsätzlich die Ausweitung des Budgets für Ausbildung auf Menschen, die im Arbeitsbereich von Werkstatt für Menschen mit Behinderung beschäftigt sind. Die BAGFW fordert, dass alle Menschen mit Behinderung durch ein Budget für Ausbildung ihre Chancen auf Teilhabe am Arbeitsleben verbessern können und spricht sich für einen niedrigschwelligen lebenslangen Anspruch auf das Budget für Ausbildung aus.
     
  5. Die BAGFW begrüßt, dass mit einer verlässlichen rechtlichen Grundlage der Zugang von Assistenzhund-Mensch-Teams und die Qualität ihrer Ausbildung gesichert werden soll. Die Ansiedlung der neuen Regelungen im Behindertengleichstellungsgesetz ist nicht schlüssig. Es sollte stattdessen ein eigenes Assistenzhundegesetz formuliert werden, aus dem u.a. klar ersichtlich ist, was unter einem Assistenzhund zu verstehen ist, wie der Zutritt geregelt wird und welche Regelungen bei der Verweigerung des Zutritts greifen (Schlichtungsverfahren). Mit Blick auf jede Weiterentwicklung der vorgelegten Regelungen ist im weiteren Verfahren (bei der Ausgestaltung der Rechtsverordnung sowie der geplanten Evaluation) sicherzustellen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen, insbesondere Assistenzhundhalter/innen und die sie vertretenden Verbände sowie Tierschutzverbände einbezogen sind, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen.
     
  6. Die Zielsetzungen einer besseren Betreuung von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden anderer Rehabilitationsträger im Jobcenter und deren angestrebte, zügige Vermittlung in den Arbeitsmarkt unterstützt die BAGFW ausdrücklich. Hierzu trägt die bessere und bedarfsorientierte Verknüpfung kommunaler Eingliederungsleistungen nach §16a mit anderen Angeboten und Leistungen der Rehabilitation bei. So wichtig die Möglichkeit ist, Leistungen nach den §§ 16a ff. SGB II neben einem Rehabilitationsverfahren zu erbringen, so bedeutsam ist es, dass diese auch tatsächlich nahtlos erbracht werden und auf die individuelle Situation der Betroffenen zugeschnitten sind. Zielführend wäre aus Sicht der BAGFW die Bereitstellung eines rechtskreisübergreifenden Angebots, für das die unterschiedlichen Sozialleistungsträger Mittel und Ressourcen gemeinsam zur Verfügung stellen und auf diesem Wege eine umfassende Förderung ermöglichen. In den entsprechenden Sozialgesetzbüchern sollte die Möglichkeit der finanziellen Beteiligung bei rechtskreisübergreifend konzipierten Fördermaßnahmen explizit vorgesehen werden.
     
  7. Die Regelung der partiellen Aufhebung des Leistungsverbotes für die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter wird kritisch gesehen. Es besteht insbesondere die Gefahr, dass mit kurzfristigen Maßnahmen zur Aktivierung und Vermittlung Druck auf Rehabilitanden ausgeübt wird, Eigenaktivitäten vorzuweisen und jedwede Beschäftigung aufzunehmen, ohne dass ein bestehender Anspruch auf die Wahrnehmung von höherwertigen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bereits erfüllt wäre.

Die komplette Stellungnahme lesen Sie hier.

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