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60. Jahrestag Anwerbeabkommen mit der Türkei

Mit dem "Anwerbeabkommen" vom 30. Oktober 1961 begann vor 60 Jahren die Entsendung von Arbeitskräften aus der Türkei nach Deutschland.

Dazu erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:
"Das Zuwanderungsland Deutschland hat den Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus der Türkei und vielen anderen Ländern wie Italien, Spanien und Griechenland, mit denen es ähnliche Abkommen gab, unendlich viel zu verdanken. Ohne sie und ihre Nachkommen wäre der in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaute Wohlstand in Deutschland nicht zu erreichen gewesen. Umso bitterer muss es für viele gewesen sein, dass ihre Lebensleistung lange viel zu wenig gewürdigt und ihnen die volle Teilhabe in Deutschland lange verweigert wurde. Daraus erwächst große Verantwortung für uns alle, es besser zu machen - denn Deutschland ist auch künftig auf Zuwanderer angewiesen, die mit uns arbeiten und leben, die ihre Ideen, ihr Engagement und ihre kulturelle Erfahrung bei uns einbringen. Mit großer Zustimmung erleben wir deshalb die Gedenkveranstaltungen und Würdigungen von Bundespräsident und Bundesregierung in diesem Jahr für das, was die Menschen, die kamen, geleistet haben. Endlich, möchte man sagen."

Die Bundesrepublik profitiert seit ihrer Gründungsphase von Zuwanderung. Doch diese Einsicht setzt sich erst langsam durch. Das Anwerbeabkommen war lange als Provisorium gedacht und hatte schon 1973 mit dem Anwerbestopp beendet werden sollen. "Vergessen wurde: Menschen sind nie provisorisch, Integration und Teilhabe kamen viel zu kurz", so Lilie.

Eine Willkommenskultur für erwerbstätige Menschen aus der Türkei und anderen Ländern hätten die Deutschen erst sehr spät gelernt. "Wir haben es zu lange zugelassen, dass Stimmung gemacht wurde gegen diese Menschen, die sogar zu terroristischer Gewalt führte. Heute muss die Botschaft sein: Ihr Menschen, ihr seid hier, und das ist gut so. Und wir sollten uns viel häufiger die unzähligen Geschichten von gelungener Zuwanderung und Bereicherung erzählen", so der Diakonie-Präsident. Türkeistämmige stellen heute mit mehr als 2,5 Millionen Menschen die größte Einwanderungsgruppe in Deutschland dar. Lilie: "Sie wirken in den politischen Parteien und in politischen Ämtern längst auch an der demokratischen Willensbildung mit. Auch dafür können wir nur dankbar sein. Die Idee einer offenen Gesellschaft und demokratische Teilhabe für alle ist das Zukunftsmodell für ein immer vielfältiger werdendes Deutschland, in dem alle willkommen sind, die zum Wohl aller beitragen wollen."

Der Jahrestag des so genannten Anwerbeabkommens mit der Türkei fällt auf den Beginn der Koalitionsverhandlungen. Zuwanderung und Teilhabe von Anfang an müssen für die künftige Bundesregierung Kernanliegen sein. Die deutsche Wirtschaft und die Systeme der sozialen Sicherung brauchen dringend internationale Arbeitskräfte. Die Bundesagentur für Arbeit schätzt den Bedarf auf 400.000 Erwerbstätige pro Jahr. Dabei werden nicht nur gelernte Fachpersonen, sondern auch Ungelernte und Auszubildende aus der Türkei und anderen Ländern benötigt.

"Jetzt ist es an der Zeit, dass die verhandelnden Koalitionsparteien den Menschen Anerkennung in harter politischer Währung zukommen lassen. Dazu gehört auch: Wer hier schon lange lebt und dessen Familie zu Arbeit und Wohlstand beigetragen hat, soll sich einbürgern lassen können. Und zwar ohne den türkischen Pass abgeben zu müssen. Denn es ist wichtig und es ist richtig, dass die familiären Bande ins Herkunftsland gepflegt werden können", so Ulrich Lilie. 

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